23. Februar 2015

Extra: Zeichner verteidigen die Meinungsfreiheit


"Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein Grundrecht der Aufklärung und darf zu keiner Zeit verhandelbar sein. Wir brauchen eine offene Gesellschaft wie die Luft zum Atmen. Wir brauchen den Respekt voreinander, gleich welcher Überzeugung, Religion, Herkunft oder Hautfarbe. Wir treten dafür ein, dass die Meinungsfreiheit respektiert und verteidigt wird. Wir wehren uns mit Stift und Pinsel." (Aladin Verlag)

Klaus Humann, Verleger des Hamburger Aladin Verlags, hat im Nachgang des Attentats auf die Pariser "Charlie Hebdo"-Redaktion vom 7. Januar 2015 Zeichner aufgerufen, die Freiheit der Meinungsäußerung einzuklagen. 29 Illustratoren (aus sechs Ländern) haben mit ihren eindrücklichen Bildern geantwortet. Nicht nur von ihnen sondern auch von Andreas Platthaus (stellvertretender Feuilletonchef der FAZ), der die Einleitung "Zweierlei Blei" verfasste, wird der Bleistift zum Symbol des Buchs voller persönlicher und nachdenklicher Bilder:
"Ein Wort, das schwer klingt, aber ein Werkzeug, das zerbrechlich ist."

Jutta Bauer (sieh auch Die Königin der Farben und Juli!) lässt die bekannten Bilderbuch-Helden voller Trauer auf Vorder- und Rückseite des Buches marschieren. Im Inneren folgt Ole Könnecke mit einem (für uns rhetorischen!) Fragespiel mit seinen Figuren Lester und Bob. Christoph Niemann  (siehe auch Der Kartoffelkönig und Petting Zoo Memo Game) zeigt eine Trauerblume aus Bleistift-Spitzresten. Mein persönlicher Favorit sind die mit bunter Farbe hantierenden Terroristen von Larissa Bertonasco (S.12) - sie geben einen Funken Hoffnung. Alle Erlöse des einmaligen Buchprojekts gehen an das "Writers-in-Prison"-Programm des PEN (Poets-Essayists-Novelists), welches am Ende des Buches beschrieben wird.

Hier ist die (alphabetische) Liste aller Künstler, die sich beteiligt haben:
ATAK, Jutta Bauer, Larissa Bertonasco, Quint Buchholz, Flix, Bob Grahan, Nikolaus Heidelbach, David Hughes, Janosch, Joelle Jolivet, Ulf K., Regina Kehn, Reinhard Kleist, Ole Könnecke, Isabel Kreitz, Marine Ludin, Ulli Lust, Hildegard Müller, Thomas M. Müller, Christoph Niemann, Moni Port, Chris Riddell, Axel Scheffler, Peter Sis, Ralph Steadman, Philip Waechter, David Wiesner, Sabine Wilharm, Barbara Yelin.

Ein Buch zum Ausrufen: Je suis Charlie!

Zeichner verteidigen die Meinungsfreiheit
eingeleitet von Andreas Platthaus
herausgegeben von Klaus Humann
mit Bildern von 29 Zeichnern
2015, Aladin Verlag, Hamburg, www.aladin-verlag.de

Herbst 2014: König Nesselbart


Dieses Bilderbuch hat eine wunderbare Entstehungsgeschichte, die in dem Blog der Autorin Maria Wiesner Das Mädel vom Land, welcher sich um "Geschmackssachen, (Ess-)Geschichten und Ernährungsgrübeleien" dreht, ganz wunderbar und persönlich erzählt wird. Herausgekommen ist ein außergewöhnliches Buch von zwei Neulingen, als Illustratorin kam Karoline Neubauer noch ins Boot. Die märchenhafte Geschichte rund um das Thema Genuss wird von lebhften Collagen aus Fotos und Papierschnipseln sowie bunten Zeichnungen bebildert.

"In einem kleinen, unbekannten Land lebte einst ein König. Sein Name war Nesselbart."

Der König Nesselbart hat ein grünes Gesicht, "wie Erbsensuppe" und einen Bart aus Brennnesseln, dementsprechend böse und griesgrämig ist er auch. Sein Volk hat sehr unter ihm zu leiden, denn er verbietet alles, was Spaß macht (z.B. Lachen und Spielen). Nachdem alle seine Untertanen und die letzten Bediensteten (die Köchen und der Kammerdiener) ihn verlassen haben, gibt es nur noch Dosenessen, was ihn noch grantiger macht. Da beschließt er wenigstens eine Köchin wieder anzustellen und begegnet der Wanderin Rosine, die er kurzerhand zur Hofköchin macht - obwohl sie keinerlei Ahnung hat. Rosine besinnt sich nach vielen Fehlschlägen auf die Pflanzen, die ihr beim Wandern begegnet waren: "Beeren und Samen, Blumen und Kräuter - auch Brennnesseln waren dabei." So macht sie sich eines Nachts daran, ein paar Nesseln vom Bart des Königs abzuschneiden, um daraus Brot zu backen. Und siehe da, Brot und selbstgemachte Marmelade schmecken dem König vorzüglich, so dass ihm an Stelle der abgeschnittenen Nesseln plötzlich ein Gänseblümchen wächst! Je mehr er von den neuen Speisen probiert, desto mehr Blumen wachsen an seinem Kinn und desto mehr grün verschwindet aus seinem Gesicht. Da fühlt er sich endlich wieder glücklich und beschließt alle Verbote und Gesetze zurückzunehmen, damit die Menschen wieder in sein Land ziehen. Und wenn sie nicht gestorben sind ...

Ein Buch zum Genießen.

König Nesselbart
von Maria Wieser (Text) und Karoline Neubauer (Bild)
nach einer Idee von Sabine Wieser
2014, Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck, www.tyrolia-verlag.at
ab 4 Jahren

17. Februar 2015

Herbst 2014: Heute Nacht war ich ein Tiger


Für dieses traumwandlerische Bilderbuch haben sich der erfolgreiche Autor Heinz Janisch (siehe auch Schenk mir Flügel) und die außergewöhnliche Ilustratorin Linda Wolfsgruber (siehe auch Der Elefant und der Schmetterling) zusammen getan. Herausgekommen ist ein Kunstwerk für kleine Zuhörer und große Vorleser, welches unsere phantasievollen, manchmal auch verrückten, Traumbilder in die Wirklichkeit holt. So können wir, nicht nur an Fasching/Karneval, hin und wieder in eine andere Haut schlüpfen. Die in gedeckten Farben gehaltenen Illustrationen sind eine Mischung aus Tuschezeichnung und Aquarell und verbinden wunderbar die reale mit der erträumten Welt. Jedes Kind kann nun im Lauf des Lesens seine eigene Traumfigur hinzufügen.

Normalerweise verschwinden unsere Traumbilder beim Aufwachen
"Manchmal aber bleiben die Träume bei uns.
Sie werden sichtbar, gehen mit uns hinein in den neuen Tag ..."

Nach dieser Einleitung beginnt eine Sammlung an Traumszenarien verschiedener Kinder, die immer einen kleinen Bezug zur Realität haben. "Maria war eine gefeierte Seiltänzerin" über den Dächern ihrer Stadt, "Achmed war ein großer Vogel" mit seinem Ranzen auf dem Rücken, "Walter war heute Nacht ein Tiger" mit einem riesigen Körper im Vergleich zu den umliegenden Häusern ... "Miriam konnte quer in der Luft liegen" beim Schwimmen im Freibad.

Zum Abschluss meldet sich wieder der Autor dem Einleitungstext, doch diesmal führt er uns am zurück in das Land der Träume:
"Bis ein neuer Traum neue Geschichten erzählt."

Ein Buch zum Aufwachen und Einschlafen.

Heute Nacht war ich ein Tiger
von Heinz Janisch (Text) und Linda Wolfsgruber (Bild)
2014, Luftschacht Verlag, Wien, www.luftschacht.com
ab 3 Jahren

16. Februar 2015

Bildersachbuch: Echt wahr?


Die Erfinderin der Bilderbuch-Frage-Bücher, Antje Damm (siehe auch Ist 7 viel?), regt wieder einmal zum Diskutieren und Philiosophieren an. Dieses Mal geht es um das, nicht unkomplizierte, Thema Lüge (und Wahrheit). Dazu bietet sie "52 Gelegenheiten" in Form von eigenen Zeichnungen, Fotos, Collagen und kurzen Texten. Neben den Fragen oder Stichworten, die sie auf jeder Doppelseite zu einem bestimmten Schwerpunkt gibt, enthält das Büchlein auch hin und wieder informative Texte, bei denen selbst die Erwachsenen noch etwas lernen können.

Wer wusste z.B., dass die Fachwerk-Fassaden auf dem Frankfurter Römerberg nur Kulissen sind und sich dahinter moderne Stahlbeton-Häuser aus den 80er Jahren verstecken? Nach dieser Information bietet sie folgende Diskussionsgrundlage: "Die Frankfurter Bürger diskutieren bis heute, ob das falsch oder richtig war. Was meinst du?"

Nicht alle Fragen können schon von Vorschulkindern beantwortet werden, aber trotzdem werden alle Zuhörer genügend Anknüpfungspunkte haben, um anschließend eine eigene Meinung zu finden. So wächst das Buch mit dem Alter der Kinder und hilft auch an der ein oder anderen Stelle den Eltern und Erziehern/Lehrern, um einfacher über schmerzliche Erfahrungen im Kita- oder Schulalltag ins Gespräch zu kommen.

Ein Buch zum Reden.

Echt wahr?
von Antje Damm
2014, Moritz Verlag, Frankfurt, www.moritzverlag.de
ab 5 Jahren

9. Februar 2015

Herbst 2014: Rotkäppchen + Der gestiefelte Kater


Märchen sind immer für eine Überraschung gut, wie diese zwei außergewöhnlichen Scherenschnitt-Leporellos zeigen. Es sind keine klassischen Vorlesebücher, denn ihr wahres Ich zeigen sie erst im Dunkeln. Taschenlampe an und schon entfaltet sich ein tolles Schattenspiel an der Wand!
Clementine Sourdais hat die einprägsamen Szenen von zwei bekannten Märchen der Brüder Grimm in Illustrationen/Scherenschnitte umgesetzt: Rotkäppchen und Der gestiefelte Kater. Beim Lesen/Vorlesen entfaltet sich das Bilder-Leporello Schritt-für-Schritt, bis am Ende die gesamte Geschichte vor uns aufgeblättert ist. Kurze Textpassagen auf jeder Seite helfen den Erwachsenen beim Erinnern und Erzählen der Märchen, doch die (kleine) Schrift tritt hier in den Hintergrund. Eigentlich geht es um das gemeinsame Erleben des klassischen Märchenstoffs.

Zwei Bücher zum Staunen.

Rotkäppchen + Der gestiefelte Kater
von Clementine Sourdais (Bild)
aus dem Französischen
2014, Kleine Gestalten, Berlin, www.gestalten.com
ab 3 Jahren

Herbst 2014: Die große Reise des kleinen Mouk


Mouk, der kleine Bär, eine Figur des französischen Illustrators Marc Boutavant, geht auf große Weltreise mit seinem kleinen roten Fahrrad. Glücklicherweise hat er Freunde in aller Welt, die er vor Reisebeginn via E-Mail über sein Kommen informiert hat. So findet er, egal wohin er reist, jemanden, der ihm die lokalen Besonderheit zeigt und erläutert. Das Buch ist eine Neuauflage des noch jungen Bilderbuch-Klassikers (ursprünglich im Hanser Verlag erschienen) und wurde aufwändig gestaltet und hergestellt. Vielschichtige bunte Wimmelbilder mit Comic-Anleihen werden von dem individuelle Handlettering von Michael Hau ergänzt. Das Buch hat ein wattiertes Hardcover und auf die beschichtete Seiten im Inneren können die wiederablösbaren Motive von dem beigelegten Stickerbogen aufgeklebt werden, um eigene Szenen zu kreieren.

Mouk bereist elf Länder, die alle in Form einer Weltkarte auf der Rückseite des Buchs abgebildet sind. Der Ausgangspunkt ist das heimische Frankreich, genauer gesagt Paris, wo er seine beiden Freunde Popo und Schawapa zurücklassen muss - und seinen Rucksack vergisst. Daher friert er etwas, als er im winterlichen Finnland (Lappland) ankommt. Im warmen Griechenland trifft er seine Freundin Elena und genießt mit ihr die Zeit am Mittelmeer. In der Sahara besteigt er eine Düne, die so hoch ist wie der Eiffelturm, und lernt die Tuareg kennen. Die nächsten Stationen in Afrika sind Burkina-Faso und Madagaskar, bevor er das trubelige Indien erreicht. Danach geht es weiter nach Osten: nach China, Australien und Japan, wo er die Zeit der Kirschblüte abgepasst hat. Auf der anderen Seite des Pazifiks folgen die peruanischen Anden, wo er vor Höhenkrankheit das Bewusstsein verliert. Ein Brillenbär rettet ihm das Leben, so dass er bis nach USA weiterreisen kann. Von New York ist er vollkommen begeistert, doch schon geht es mit Flugzeug und Fahrrad zurück nach Hause. Nach einer warmen Dusche und einem ausgiebigen Schläfchen im eigenen Bett, erzählt er Popo und Schawapa von seinen Abenteuern.

Ein Buch zum Weltbereisen.

Die große Reise des kleinen Mouk
von Marc Boutavant
aus dem Französischen von Michael Groenewald: Le tour du monde de Mouk
2014, Reprodukt, Berlin, www.reprodukt.com
ab 4 Jahren

Frühjahr 2014: Kleine Hausgeister


"Kleine Hausgeister" ... wer kennt sie nicht! Dreckige Fußspuren auf dem Teppich, Farbspritzer an der Wand, ausgequetschte Zahnpastatuben etc. Sonia Goldie hat in ihrem Buch die phantasievollen Charaktere und Geschichten der unterschiedlichsten Geister aufgeschrieben, die hinter diesen offensichtlichen alltäglichen Anzeichen stecken. Marc Boutavant hat die passenden liebenswürdigen Bilder dazu gezeichnet und coloriert. Nur mit leichten Umrissen versehen, findet sich auf jeder Seite ein hingehauchtes Gespenst. Ansonsten sieht es so aus wie bei uns zu Hause, oder?

Zu Beginn gibt es eine kurze comichafte Einleitung, in der ein Geist, mit Bärenanmutung, ein (klassisches) Schlossgespenst über ECHTE Gespenster aufklärt: "Also gut, es muss ja mal gesagt werden. Alles, was man über Gespenster erzählt, ist einfach lächerlich! Sie leben zum Beispiel nicht in Burgen und ziehen auch keine Eisenkugel an einer Kette hinter sich her!".
Als erster Hausgeist wird das "Gespenst im Kamin" vorgestellt, welches nicht weiß sonderm schwarz ist, und das sogenannte "Fernsehgespenst" kommt aus dem Fernsehgerät heraus, wenn zu lange ferngeschaut wird. Während das "Gemälde-Gespenst" bunte Fußspuren hinterlässt, ist das "Gespenst in der Bibliothek" schüchtern und kommt nur selten zwischen den Buchseiten hervor. Dann gibt es noch das hungrige "Gespenst in der Küche", das dreckige "Badezimmer-Gespenst", das dunkle "Gespenst der Nacht" sowie das neugierige "Eltern-Schlafzimmer-Gespenst". Das altmodische "Dachboden-Gespenst" stammt aus Großvaters Zeiten und das "Gespenst hinter dem Vorhang" ähnelt einem Schneemann. Vor der Haustür gibt es noch das naturliebende "Garten-Gespenst" und das mürrische "Gespenst der grauen Tage". Nun kann selber weitergesponnen werden, was sich für Geister im Haus verstecken, z.B. im Keller, in der Waschmaschine, im Telefon oder in der Garage.

Ein Buch zum Herumgeistern.

Kleine Hausgeister
von Sonia Goldie (Text) und Marc Boutavant (Bild)
aus dem Französischen von Odile Kennel: Fantomes des Maisons
2014, Kleine Gestalten, Berlin, www.gestalten.com
ab 4 Jahren

3. Februar 2015

Herbst 2014: Krah!


Über die Themen "Anderssein" und "Integration" gibt es eine Menge an realistischen Büchern, doch nun gibt es ein weiteres Beispiel aus der Tierwelt (siehe auch Oscar - Ein seltsamer Vogel oder Elmar und das Monster), welches bereits von den jüngsten Kindergartenkindern verstanden werden kann. Der gelernte Grafik-Designer Leo Timmers wurde in Belgien geboren und illustriert mittlerweile nicht nur fremde sondern auch eigene Geschichten. "Krah!" wurde im Dezember 2014 zum "Buch des Monats" von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e. V. gewählt. Mal sehen, wer seine weiteren international preisgekrönten Bücher auf Deutsch herausbringen wird.

Krah, die (schwarze) Krähe ist einsam, kein anderer Vogel interessiert sich für sie. Eines Tages bemerkt sie, dass die anderen (bunten) Vögel sogar Angst vor ihr haben, weil sie so "pechschwarz" sei wie ein "böser Räuber". Da hat sie eine Idee: Krah besorgt sich bunte Farben und malt sich genauso an wie die anderen. Doch als blau-gelbe Meise, als rot-grüner Sittich sowie als pink-grauer Fink verjagt sie weiterhin ihre kleineren Artgenossen. Vor lauter Enttäuschung muss sie bitterlich weinen und die dicken Tränen waschen alle Farbschichten ab. Plötzlich kommen die echte Meise, der echte Sittich und der echte Fink zögerlich zu ihr geflogen, um zu fragen, ob die "Riesenmeise, der Lump von einem Sittich und der schreckliche Fink" weg seien. Als die Krähe dies bejaht, sind die anderen davon überzeugt, dass Krah die Bösewichte verjagt habe. Welch ein Glück, denn nun hat sie drei neue Freunde gefunden.

Ein Buch zum Freundefinden.

Krah!
von Leo Timmers
aus dem Niederländischen von Martin Rometsch: Kraai
2014, aracari Verlag, Zürich, www.aracari.ch
ab 3 Jahren